Wie haben wir uns gefreut, als Brigitte bzw. der Verlag Gruner & Jahr im Januar 2010 verkündete: Size Zero – ohne uns. Man wollte keine standardisierten Rollenbilder mehr vorgeben. Unter dem Motto „Ohne Models“ war es der Frauenzeitschrift ein Anliegen, ein Exempel zu statuieren. Ein Exempel, an das sie selbst nicht mehr zu glauben scheint.
Frauen, „die mitten im Leben stehen“ sollten gezeigt werden – und sie wurden auch gezeigt. Wenn auch mit drei Kilogramm Eyeliner und Mascara und teuren Designerklamotten. Niemand beschwerte sich. Schließlich freute „Frau“ sich endlich eine Zeitschrift aufschlagen zu können, ohne dass einem bei diesem Anblick der Appetit vergeht.
Der mittlerweile ehemalige Chefredakteur der Zeitschrift Andreas Lebert sagte im Oktober 2009 dem „Spiegel“ Frauen wollten keine Kleiderständer und Hungerhaken sehen, sondern sich mit echten Frauen identifizieren.
Wechsel in der Chefetage
Lebert ist nun weg und mit ihm seine Ideale von einer Modewelt ohne Hunger.
Stephan Schäfer leitet nun in der Doppelspitze mit Brigitte Huber das Schiff „Brigitte“, welches geradewegs auf einen Eisberg zusteuert. Schäfer scheint in diesem Fall der Kapitän zu sein, der mit aller Kraft versucht, das Schiff noch in eine andere Richtung zu lenken.
Im Editorial zum Heft vom 19.September heißt es so schön: „Nun ist es Zeit, mal wieder Bilanz zu ziehen“.
Die traurige Bilanz der letzten Monate bzw. Jahre dürfte den Chefredakteuren alles andere als gefallen.
Bereits zu Beginn der Kampagne steuerte die Zeitschrift, wenn auch noch mit einer großen Entfernung, auf den Eisberg zu. Während der letzten fünf Jahre sanken die Verkaufszahlen um 21 Prozent.
Mit dem Einsatz von Normalofrauen wollte man Normalofrauen darin bestätigen, dass auch die Frau hinterm Herd das Zeug zum Model hat – „wenn sie auch mal so schön geschminkt werden würde, wie die Models in den Zeitschriften“. Nun die traurige Erkenntnis: Egal wie viel man schminkt, ein Model bleibt ein Model und eine Normalofrau bleibt eine Normalofrau.
Brigitte-Rettungsschirm
Der Schritt 2010 zum wohlproportionierten Heimchen war nicht nur verkaufstechnisch alles andere als eine gelungene Revolution. Trotz toller Kritiken vom In- und Ausland, befanden sich die Verkaufszahlen auf Talfahrt, wohingegen die Ausgaben oben auf der Achterbahn angekommen waren.
Laien kosten mehr Geld. Schließlich muss die Normalofrau während des Shootings noch kochen, putzen und Kinder stillen. Zeit ist Geld!
Das weiß jeder Erstsemesterstudent. Dazu muss man noch nicht mal BWL studiert haben. Da sollte man doch denken, dass diese Rechnung auch für einen qualifizierten Chefredakteur einleuchtend wäre. Falsch gedacht!
Der Kapitän und seine Co-Kapitänin hofften darauf, das Schiff auf Erfolgkurs zu bringen.
Stattdessen verpassten sie dem Schiff Geschwindigkeit auf dem Weg ins ewige Eis.
Auch wenn die Sprecherin des Verlags beteuert, der Schritt hätte nichts mit Kosten oder einem möglichen Mehraufwand bei Amateurmodels zu tun, kann jeder eins und eins zusammenzählen.
Laut des Verlags sei diese Entscheidung auf Leserbriefe zurückzuführen. In letzter Zeit ließen Leserinnen verlauten, man fühle sich von der wirklichen Mode abgelenkt und von den wunderschönen Normalofrauen unter Druck gesetzt, denn „wenn die Frau von der Straße auf den Fotos in Brigitte schon so schön aussieht“, würde das zu Minderwertigkeitskomplexen führen.
Achso, aber die 40 Kilogramm wiegenden Klappergestelle sind ein Wohltun für die weibliche Seele?
Der Gedanke, dass die Zeitschrift Kosten minimieren muss und das nun zulasten der Normalofrau geht, drängt sich einem förmlich auf.
Pressesprecher: Die ewig Uncoolen
Pressesprecher können ihren Job gut machen, aber den Eintritt in mein Hirn verweigere ich ihnen täglich.
Diese Leute, die ich als Türsteher zu meinem Gehirn jeden Tag nach Hause schicke, ließen verlauten, man würde sowohl professionelle, wie auch Amateurmodels in die Zeitschrift integrieren.
Man werde „immer dann mit professionellen Models arbeiten, wenn [sie] glauben, dass es für ein Thema oder auch das Titelbild besser passt“, heißt es.
Hätten sie doch mal alle direkt auf Karl Lagerfeld, den Chanel-Gott gehört. Er predigt seit Jahren, wie einfach und unkompliziert die Zusammenarbeit mit magersüchtigen Koksmodels ist.
(Foto by Tiago Chediak)