Was die Frühlingsgefühle mit uns machen

Die Bäume tragen Knospen. Die Sonne lacht. Und mit den Temperaturen scheinen auch unsere Glückgefühle zu steigen. Auf einmal scheint das Leben so unglaublich einfach. Die Bahnen streiken – kein Problem: Ich nehme das Fahrrad. Meine Allergie erreicht so langsam aber sicher ihren Höhepunkt – kein Problem: Wofür gibt es Antihistaminika? Der erste Sonnenbrand – kein Problem: Die After-Sun wird es richten und morgen ist das krebsrot auch schon braun. Der Frühling schafft es, dass uns die ansonsten unlösbar scheinenden Probleme, plötzlich gar nicht mehr interessieren.

Doch nicht nur die Natur sehen wir auf einmal durch eine rosarote Brille. Auch in unserem Umfeld lässt etwas beobachten. In den Cafés dieser Welt wird weniger gelästert, denn plötzlich ist jeder Mensch schön und toll so, wie er ist. Wo wir im Winter Stunden mit verbringen, wird plötzlich zur Nebensache. Über Tennissocken in Trackingsandalen wird nicht mal geschmunzelt. Pinke Ballerinas zum roten Outfit sind längst keine Modesünde mehr. Verrückte Hüte sind plötzlich in, weil sie so schön zum Frühling passen.

Abgesehen von dem Kleidungsstil unserer Mitmenschen, erscheinen uns auch diese auf einmal netter, hübscher, sympathischer als je zuvor. Wahrscheinlich ist auch das der Grund, weshalb junge Menschen im Frühling, wie Tiere in der Paarungszeit, ausströmen, um nach einem perfekten Partner Ausschau zu halten.

Das Leben durch die rosarote Brille scheint unser Serotonin ins Unermessliche steigen zu lassen. Selbst das Sitzen in abgedunkelten Büros scheint erträglich. Denn wir wissen: In acht Stunden wird uns die warme Abendsonne in das eh schon verbrannte Gesicht scheinen.

Vielleicht ist diese Hochstimmung aber auch lediglich eine Gegenreaktion zu den winterlichen Depressionen, die jeden normalen Menschen befallen, wenn er in Köln bei 15 Grad literweise Regen niederprasseln sieht. Auch die weihnachtlichen Geschenke können dieses Gefühlstief nicht wettmachen. Denn spätestens beim morgendlichen Frühstück des ersten Weihnachtstages bemerkt man die Kilos, die sich über den Winter an den Hüften angesammelt haben. Und bei einem Blick aus dem Fenster scheint die einzige Lösung zu sein, sich mit einem Nutellabrötchen im Bett zu verkriechen und dem Winterspeck weitere Daseinsberechtigung zu geben.

Doch nun, im Frühling, macht uns selbst der Winterspeck nichts mehr aus. Denn wir wissen, dass die anderen uns so lieben, wie wir sind. Außerdem geben wir die Hoffnung nicht auf, dass wir unsere Motivation während der nächsten Wochen dort finden, wo wir uns das Dilemma eingebrockt haben: Auf dem Sofa.

Und wenn sich die Motivation zusammen mit der Disziplin verstecken sollte, dann ist das auch egal. Denn, was uns im Winter als Todsünde erschien, ist plötzlich lebensnotwendig und zu 100 Prozent gerechtfertigt.

Also sammelt die ganzen Glücksgefühle in einer großen Schublade, denn spätestens in einem halben Jahr werdet Ihr sie wieder brauchen!

(Foto by niarts)

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.