Berufseinstieg: Und täglich grüßt die Absage

Jobsuche

Das Sprichwort „Enttäuschung ist das Ergebnis falscher Erwartungen“ hat nicht nur in der Liebe seine Berechtigung. Auch im Job sind falsche Erwartungen der Ursprung so mancher Enttäuschung. Stolz und voller Zukunftseuphorie beendet man sein Studium als Akademiker, um spätestens nach den ersten zehn Bewerbungen festzustellen, dass man noch einen langen Weg vor sich hat.

Der Rausch der Euphorie

Die Bachelorarbeit ist abgegeben, die Last, die uns wochenlang Nackenschmerzen beschert hat, lässt langsam nach. Es folgt: Der Rausch, die Hochstimmung, die Euphorie. Ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Naiv geht man davon aus, die Welt hätte auf einen gewartet. Tagträume sind Tagesordnung. Ein dicker Chefsessel, ein Gehalt, das Luxusgüter zulässt, eine neue Wohnung und einen Firmenwagen. Schnell stellt sich raus, dass man auch weiterhin auf die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen ist und auch im nächsten Jahr auf einen „Burberry“-Schal, eine „Ray Ban“-Sonnenbrille und „Timberland“-Schuhe verzichten muss. Dieses Eingeständnis tut weh, aber es ist zu verkraften. Viel mehr weh tut die Erfahrung, dass man das nächste Jahr noch mehr sparen muss, als die Jahre zuvor.

Absolvent aber bitte mit Berufserfahrung

Um 9 Uhr in der Früh steht man auf, ein Kaffee hilft über die Müdigkeit hinweg. Der Laptop wird gestartet. Mehrere Dutzend Jobbörsen werden geöffnet. Der erste Gedanke: „Mensch, und die Leute beschweren sich, es gäbe keine Jobs.“ Beim genaueren Hinsehen fallen diverse Ausschlusskriterien auf: Bundesweiter Einsatz, Praktikum, falscher Kompetenzbereich und  – nicht zu vergessen – mindestens drei Jahre Berufserfahrung. So stellt man sich doch einen Berufseinstieg vor. Mit Berufserfahrung sind weder Praktika noch Tätigkeiten als studentische Aushilfe gemeint. Für den Arbeitgeber impliziert der Begriff „Berufserfahrung“ Festanstellungen bzw. freie Mitarbeiten. Und da man heutzutage so unglaublich viel Freizeit neben dem Studium hat, sind freie Mitarbeiten eine Mindestanforderung an junge Menschen, die ihr Bein in die Tür eines Unternehmens stellen wollen. Auf diese Feststellung folgt die zweite Ernüchterung: Das Schreiben von Bewerbungen.

Anfangs investiert man Tage in das Verfassen einer Bewerbung. Jede einzelne Bewerbung wird den Eltern zum Lektorat gesendet. Inhaltlich wird sich ausführlich mit dem Unternehmen und dessen Philosophie auseinandergesetzt. Positiv gestimmt ist der Weg zum Briefkasten ein Weg voller Glückseligkeit. Die Tage darauf ist der Weg zum Briefkasten mein Weg zum Kühlschrank. Auch wenn ich eigentlich weiß, dass der Briefbote nicht mehrmals täglich kommt bzw. mein Kühlschrank sich nicht von alleine füllt, stirbt die Hoffnung zuletzt.

Die Pflanze Enttäuschung

Drei Woche später dann die Erlösung. Ein Briefumschlag. Die Vermutung eines jeden Berufseinsteigers: „Jetzt bieten sie mir den Junior-Chefsessel an.“  In Wirklichkeit bieten sie an, das Porto übernehmen zu können. Die mühevoll gestaltete Bewerbungsmappe befindet sich irgendwo in Deutschland, aber sicherlich nicht im Briefkasten. Beim ersten Mal bleibt die Hoffnung auf einen guten Ausgang. Spätestens bei der achten abgelehnten Bewerbung keimt der Zweifel auf. Im Laufe der nächsten Monate wächst und gedeiht dieser Zweifel zu einer wunderschönen Pflanze, die gegossen und genährt wird durch neue Absagen.

Zu hoch gepockert

Allerdings liegt die Schuld nicht nur beim Arbeitgeber. Berufseinsteiger sind der anspruchsvoll. Die Stelle sollte auf uns maßgeschneidert sein. Tolles Gehalt, gute Unternehmensatmosphäre, tolle Konditionen. Auf die Tatsache, dass man sich derartige Konditionen erst verdienen muss, kommen die wenigsten. Voller Selbstbewusstsein überschätzen wir unsere Fähigkeiten, um anschließend kleinlaut zuzugeben, dass uns das große Aufgabenspektrum haltlos überfordert.

Fest steht: Der Berufseinstieg wird schmackhafter gemacht als er ist. Und wie das so ist, weiß man erst nachdem man die Lasagne verspeist hat, was man da wirklich gegessen hat.

(Foto by pixabay)

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